Wenn Zuschauer Tränen der Rührung in den Augen haben, wenn die Jüngeren spontan anfangen zu pfeifen, um damit die Reiter in der Halle anzufeuern, wenn es Zwischenapplaus in Hülle und Fülle gibt, wenn am Ende der Show alle traurig sind, weil es schon vorbei ist, dann, ja dann war wohl die Ostsee-Quadrille dran schuld.
Was manchem hier etwas übertrieben erscheint, ist aber gelebte Realität. In Prussendorf am Landgestüt Sachsen-Anhalt hatte das anwesende Publikum alles richtig gemacht, in dem es sich am 27. September 2014 einen Abend mit den holländischen schwarzen Friesenpferden und den barocken iberischen Schimmeln plus einer Portion anmutiger Damen gönnte. Zugegeben waren auch einige Herren (zwei) im Sattel unterwegs. Diese werden übrigens nach Aussage der künstlerischen Leiterin Nicole Walper durchaus gepflegt, damit sie recht lange gleichberechtigt in der Ostsee-Quadrille verweilen. Schließlich muss so eine Art Männerquote schon sein in dieser frauendominierten Welt der Ostsee-Quadrille.
Nun zum Programm: Wie angekündigt, war es eine Mischung aus den großen Formationen in schwarz, weiß und schwarz-weiß, sowie aus neuen Show-Elementen, die im Laufe der letzten Monate geplant, choreografiert und einstudiert wurden. Die großen Quadrillen mit bis zu 16 Pferden sind seit vielen Jahren das Markenzeichen der Ostsee-Quadrille. Aber auch hervorragende Solis, die bei den Zuschauern für Gänsehaut sorgten, gehörten mit zum Programm. Es war – ganz im Geiste der Ostsee-Quadrille – anspruchsvoll, beschwingt und oft mit einer Prise Humor gewürzt.
Eindrucksvoll und bewegend eröffnete der P.R.E-Hengst Vistoso mit seiner Reiterin Gerlinde Bartelheimer den Showabend. Aus einer mystischen Nebelwand schwebte der expressive Hengst mit einer 10 Meter langen Ballonschleppe in die Halle und zeigte Lektionen der hohen Schule mit Piaffen, fliegenden Wechseln und Galopppirouetten. Wenn das Publikum während dieser Vorführung noch vor lauter Staunen die Luft anhielt, brach im Anschluss tosender Applaus aus. Die Show hatte begonnen und die Messlatte war hoch gelegt.
Eigentlich waren die Blues Brothers ja nur zu zweit unterwegs. Im Landgestüt Sachsen-Anhalt wurden daraus sechs Exemplare (Ina Ritter/Watse, Nadine Geigenmüller/Jannes, Barbara Rennert-Pape/Sandokahn, Monique Linke/Tengo, Viola Grätz/Santos, Lisa Giese/Daen). Anstelle des Chevis dienten Sulkys als fahrbare Untersätze. Die Schwarzen Perlen waren voll in ihrem Element. Friesen sind hervorragende und ausdrucksstarke Karossiers – und das konnten die Schwarzen Perlen mit dieser Shownummer unter Beweis stellen. Das Schaubild hatte viel Ausstrahlung und bekam viel Beifall. Und den sechs Amazonen – ganz im Sinne der Blues Brothers mit schwarzen Sonnenbrillen, schwarzen Hüten, schwarzen Koteletten und natürlich schwarzen Maschinen machte es ebenfalls große Freude, die Zuschauer zu unterhalten. Für die Anhaltiner auf den Tribünen war es eine Premiere.
Neu im Programm waren auch die fliegenden Teppiche. Hinter zwei schwarzen Friesen-Jets ging es mit orientalischem KFZ im Beinah-Schwebezustand über den Hallenboden. Die Kostüme passten wie die Faust aufs Auge, genauso wie die Bauchtanzeinlage, die bei den anwesenden Männern im Publikum die Augen größer werden ließ. Nun weiß auch der letzte Fahrradfahrer, wie man sich im Nahen Osten vorwärts bewegt – mit einem flotten Friesenpferd angespannt vor einen Perserteppich oder handgeknüpften Kelim. Die passenden Beats machten Laune – Klatschen im Takt war angesagt. Nadine Geigenmüller mit Friese Jannes sowie Ina Ritter und Friese Watse ließen auf dem Hochflor die Fransen fliegen.
Tief in das Gedächtnis der Zuschauer hat sich auch ein kleiner Shettlandpony-Hengst mit dem Namen Aragon eingeprägt. Geführt von Amrei Rieso am Langen Zügel zeigte der kleine Macho, dass er seinen großen Brüdern in Schwarz und Weiß in nichts nachsteht, bzw. ihnen sogar noch etwas vormachen kann: Seitengänge in Schritt, Trab und Galopp, Piaffen und Passage, fliegende Wechsel á Tempi, Pirouetten und spanischer Schritt – für den Hengst mit einem Stockmaß von 95 Zentimetern kein Problem. Unter dem Motto „Kleiner Mann ganz groß“ zeigte der Hengst, dass wahre Größe nicht in Zentimetern gemessen wird.
Dramaturgie und Tradition der Programme der Ostsee-Quadrille verlangen es, dass es auch nach der Pause mit den Emotionen weiter bergauf geht. Beim Tanz der Wassernymphen wurde es mystisch und traumhaft. Tänzerin Dajana Pfeifer (von Excalibur-Horse Shows) entführte das Publikum mit ihrer Akrobatik in die Welt der Feen, Geister und Nymphen. Begleitet von sechs strahlend weißen iberischen Schimmeln und ihren Reiterinnen. Traumhafte Kostüme, Musik die das Publikum in eine fantastische Welt entführte und eine ergreifend schöne Choreographie der sechs weißen Hengste sorgten für Tränen der Rührung im Publikum. Auch das hatte das Publikum am Landgestüt Sachsen-Anhalt noch nie gesehen.
Wenn die Zuschauer dachten, jetzt könnten sie wieder etwas Luft holen, wurden sie eines Besseren belehrt. Als Premiere zeigte die Ostsee-Quadrille eine Hommage an das Friesenpferd – den König der Pferde. Im Glanze von zwanzig Fackeln wurde den schwarzen Perlen gehuldigt. Stimmungsvoll und herzzerreißend war die Darstellung mit bombastischen Klängen und bewegenden Texten in der verdunkelten Halle. Im Fackellicht konnte man die Vorführungen von Jana Thumann und Friesenhengst Odin (Touren & Gänge), Stephanie Bolle und Friese Tjerragonn (Freiheitsdressur) und Sandra Mertins mit Friese Sybrand (Zirzensik) einatmen. Wie man Gänsehaut macht, wissen die Macher der Ostsee-Quadrille.
Senkrecht stehendes Hauphaar macht auch immer wieder das Schaubild „Mitternacht“. Die Stunde der schwarzen Reiter schlägt leider immer zum Ende der Show. Und es wird einem schmerzlich bewusst, wie schnell zweieinhalb Stunden des eigenen Lebens vorbeigehen können. Aber die Ostsee-Quadrille wäre nicht sie, wenn es nicht noch einen Schmankerl zum Schluss geben würde. Während nämlich die Pferde anderer Shows nach Vorstellungsende auf den Transporter verfrachtet und zur nächsten Stadt irgendwo in Europa gebracht werden, geht es hier ruhiger zu. Beim gemeinsamen Meet & Greet werden die Zuschauer traditionell aufgefordert, vor die Bande zu kommen. Dann darf gestreichelt, geknuddelt, fotografiert und ausgefragt werden. Aber irgendwann ist selbst das vorbei und das Licht in der Halle geht aus… Die Schwarzen und die Weißen, die Großen und Kleinen kommen in die Box und zur Ruhe. Das hatten sie sich nach insgesamt zwölf Programmpunkten verdient.
Vom Veranstalter war zu hören, dass die Teilnehmer und Helfer der Show zu später Stunde noch eine Geburtstagsparty angezettelt haben. Ostsee-Quadrille Mitglied Angela Klee hatte der Teilnahme in der Show Vorrang vor ihrem Geburtstag gegeben. Als Dankeschön bekam sie die Party nach der Show vom gesamten Team.
Und zum Schluss noch ein kleiner Tipp an die Krankenkassen: Wenn mal wieder einer wegen Herbstdepressionen beim Arzt vorbeikommt – einfach eine Eintrittskarte zu einer Show der Ostsee-Quadrille verschreiben – kostet weniger und bringt auf Dauer mehr – bestimmt!
Die nächsten Auftritte der Ostseequadrille sind in den TOP-GALA-Shows der Messe Faszination Pferd in Nürnberg. Außerdem ist ein Auftritt beim AGRAVIS-Cup in Oldenburg geplant. Alle Termine stehen aktuell unter hwww.ostsee-quadrille.de, weiter Infos und viele schöne Bilder & Videos auf Facebook unter www.facebook.com/ostseequadrille
Ein Bericht von Jan-Pierre Habicht