Christine

Christine

Christine und ihre Lehrmeister

Ich hatte das unvorstellbar große Glück, den bis zur hohen Schule ausgebildeten Friesenwallach Wybrand meiner Trainerin Giselheid Claus als Reitbeteiligung reiten zu dürfen. Das 1. Mal sah ich die Ostsee-Quadrille und Wybrand am 03.03.2002 beim öffentlichen Training in Neustadt/Dosse. Die Lindenau Halle war übervoll und über die Köpfe der Zuschauer hinweg schaute mich Wybrand an als wollte er mir sagen: „Hier bin ich!“. Es war Liebe auf den 1. Blick und veränderte mein Leben. Mit ihm und Dank Giselheid Claus habe ich das Reiten völlig neu erlernt. Wybrand wurde mein Professor! Bei einer falschen Hilfe zeigte er gern den spanischen Schritt frei nach dem Motto: „Wenn du nicht weißt, was du willst, mache ich einfach, was ich möchte 😊.“ Der spanische Schritt war Wybrand´s Lieblingslektion, mit der er sogar in der Show ganz stolz auf den Pferdeanhänger ging. Im Januar 2005 wurde ich in die Ostsee-Quadrille aufgenommen. Es folgten viele glückliche Trainingsjahre und ganz besondere, einzigartige Höhepunkte in meinem Leben.
Nie werde ich unseren ersten gemeinsamen großen Auftritt anlässlich der 5. Nacht der Schwarzen Perlen in Neustadt/Dosse vergessen. Ich konnte zwar die Nacht davor nicht schlafen, weil ich immer nur die Choreografie im Kopf hatte. Aber vor dem Auftritt selbst war ich überhaupt nicht aufgeregt, weil ich wusste, Wybrand macht das schon… Jedenfalls lief diese Show hervorragend und ich konnte die ganze Zeit nur strahlen, weil ich so glücklich war. So ähnlich verliefen alle unsere gemeinsamen Auftritte. Immer hatte ich das Gefühl, Wybrand liebte das Publikum. Er machte sich noch schöner und ritt sich von alleine.
Als Wybrand gesundheitliche Probleme hatte, begann ich nach neuen Wegen zu suchen, um weiterhin mit ihm zusammen sein zu können. Die klassische Arbeit an der Hand und am langen Zügel wurden meine besondere Leidenschaft. Da mir jedoch ein Ausbilder für diese spezielle Arbeit fehlte, gründete ich selbst eine Gruppe zum Erfahrungsaustausch. Nach vielen Trainingsjahren ging für mich ein Traum in Erfüllung: Eine Quadrille mit sechs Pferden am langen Zügel war auf der 10. Gala Nacht der Schwarzen Perlen 2011 ein Höhepunkt der Show. Für mich war jedoch das Allerschönste, dass Wybrand durch diese Arbeit vom Boden aus wieder vollständig gesund wurde.
Viele Jahre engagierte ich mich im Quadrille-Rat und organsierte große Veranstaltungen. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Ostsee-Quadrille veröffentlichte ich ein Buch „Die Ostsee-Quadrille – Eine Erfolgsgeschichte“. Diese Chronik ist eine Hommage an Wybrand und alle anderen Pferde der Ostsee- Quadrille, die durch die wunderbaren Fotos des Fotografen Dalibor Gregor unsterblich wurden. Geliebter Wybrand, ich spüre noch immer den warmen Duft deiner weichen Nüstern in meinem Gesicht…
Obwohl Wybrand schon über die Regenbogenbrücke gegangen ist, trage ich ihn noch immer in meinem Herzen. ER war mein Professor und hilft mir auch heute noch, so wie es bei folgendem Erlebnis deutlich wird:
Für den Auftritt der Ostsee-Quadrille beim Mercedes-Benz CSI in Zürich 2017 hatte ich Urlaub genommen, weil ich als Helfer die Formation unterstützen wollte. Zwei Tage vor der Abfahrt erhielt ich die Nachricht, dass ich meine Reitsachen mitnehmen soll, weil eine Reiterin ausfällt und mir ihren Friesen Djanero zur Verfügung stellt. Was für ein Vertrauen! Verantwortungsbewusst sagte ich der Quadrille zu, denn sonst wäre die Choreografie nicht umsetzbar gewesen. Nie werde ich den Augenblick vergessen, als mir nachts bei der Abfahrt im Dunkeln ein riesiges, völlig fremdes Pferd auf der Koppel übergeben wurde, für welches ich nun eine Woche in Zürich allein die Verantwortung trug.
Bereits beim ersten Training spürte ich nach zwei Schrittrunden, wie mein Reiten aus der Körpermitte Djanero erreichte und er aktiv die Hinterhand einsetzte. Ab diesem Moment fühlte ich, was dieses imposante Pferd dachte und wir verschmolzen zu einer Einheit. Durch diese Verbindung war Djanero auch trotz lauter Live-Musik von „Oesch´s die Dritten“ mitten in der Reitbahn stets bei mir und machte brav seine Lektionen. Bei jedem Auftritt dachte ich an Wybrand, wie viel Spaß wir damals gemeinsam hatten und genau dieses Gefühl vermittelte ich Djanero. Als wir bei zwei von insgesamt drei Auftritten vor 35.000 Zuschauern nach der Schlussaufstellung unvorbereitet plötzlich die Tete beim Ausritt waren, konnte ich nur noch strahlen, laut mitsingen und genießen. Meine Freunde meinten später, es hätte ausgesehen, als wäre ich meinen geliebten Wybrand geritten.

Einige Zeit später wurde mir Djanero zum Kauf angeboten und mein Herz konnte nur noch „Ja!“ schreien. Djanero ist mein erstes eigenes Pferd und lehrt mich vor allem, dass er eben nicht Wybrand ist. Dafür haben wir jetzt täglich viel Spaß und Freude miteinander. Inzwischen leistet mein Friesenwallach Jacob Djanero Gesellschaft. Jacob ist ein ganz spezieller Lehrmeister für mich, aber dies wäre eine neue Geschichte…